Historisches Rust
Obwohl einige wenige römische Funde auf eine weit frühere Besiedlung hinweisen, wird der kleine Ort Rust tatsächlich 762 das erste Mal im Eddo-Testament urkundlich erwähnt. In dieser Urkunde erhält das Kloster Ettenheimmünster durch Bischof Eddo von Straßburg eine Vielzahl an Schenkungen, die zahlreiche Rechte und auch das Kirchengebäude in Rust umfasst. Gesichert ab 1309 stand der Ort unter den „von Rust“, jedoch nicht näher bezeichneten Herren. In der Mitte des 15. Jahrhunderts ging es in den Besitz der Familie Boecklin über. Auch nach der Beseitigung grundherrlicher Rechte, endete die Abhängigkeit von der Familie Boecklin erst 1955 nach dem Tod des letzten in Rust lebenden Stammherrn Ruprecht Ludwig Ernst Moritz.
Durch die naturräumlichen Voraussetzungen bildeten Landwirtschaft und Fischerei seit jeher die Grundlage für die Versorgung der Dorfbewohner. Zum frühesten Handelsgewächs zählen Hanf und Flachs, welche durch den Anbau von Zuckerrüben und Tabak nach und nach verdrängt wurden. Die Fischerei war als Handwerk stark in Rust vertreten. Die Geschichte der Ruster Fischerzunft lässt sich bis zum Jahr 1583 zurückverfolgen und ist durch ständige Grenzstreitigkeiten mit benachbarten Zünften sehr bewegt.
Das heutige Wappen von Rust erinnert an die von Landwirtschaft geprägte Zeit und weist mit Pflugschar und Fisch auf die beiden Berufsstände hin, welche das dörfliche Leben und Schaffen seit alten Zeiten bestimmt haben.
Historischer Dorfrundgang
Erleben Sie auf unserem historischen Rundgang die Geschichte der Gemeinde Rust. Zahlreiche Schautafeln geben Ihnen einen Einblick in die historischen Gebäude. Der Rundweg ist mit Zahlen auf unserem Ortsplan markiert.
Historischer Dorfrundgang (JPG, 3,1 MB)
1. Altes Rathaus
1844/45 wurde das ursprüngliche Gebäude erbaut, damals allerdings noch ohne Türmchen. Dieses wurde erst 1892 hinzugefügt. 1989 wurde das Gebäude aus Altersgründen abgerissen und in den bisherigen Maßen wieder aufgebaut. Der erhaltene Turm wurde auf das neue Gebäude aufgesetzt und die Fassade historisch der Moderne angepasst.
2.Balzarenschlösschen
Vermutlich wurde das aufwendig verzierte Fachwerkhaus 1598 durch Philipp Dietrich von Böcklin, der im gleichen Jahr auch das Böcklin’sche Palais an der Place St.-Étienne in Strasbourg errichtete, erbaut. Er war Angehöriger eines Nebenzweigs der Boecklinschen Familie und seine Frau Anna Maria Freiin von Zuckmantel, eines der ältesten elsässischen Adelsgeschlechter. Darum zeigt das Wappen über dem Kellereingang auch beide Familienschilde. Das Gebäude selbst ist eine Mischung aus Stein- und Holzbau. Die besonders reichhaltige Ornamentik sollte wahrscheinlich die Bescheidenheit des Baus – gerade hinsichtlich des Schloss Balthasarburg – kaschieren.
3. Ehemalige Zigarrenfabrik
Rust war wohl einer der ersten Orte in Mittelbaden, in denen Tabak angepflanzt wurde. Er ersetzte mehr und mehr den bisherigen Hanf- und Rübenanbau, da deren Verarbeitung langwieriger und wenig kostendeckend war. Motiviert wurden Landwirte mit kostenlosen Tabaksamen und Verkaufsprämien. So waren 1779 fast die Hälfte aller Erwachsenen in der Tabakindustrie beschäftigt. Meist waren es Frauen und Mädchen. Der größte Teil des Anbaus wurde in Fabriken vor Ort verarbeitet und auch in Rust siedelten sich zu Anfang des 19. Jahrhunderts mehrere Fabriken an. So auch um die Jahrhundertwende u.a. die Zigarrenfabrik Sattler. Diese wurde 1905 an die Bremer Firma Biermann und Schörling verkauft. Zuletzt gab es 1934 sechs Tabakfabriken im Ort.
4. Schule
1910 wurde das Gebäude errichtet, nachdem das ursprüngliche Schulhaus zu klein geworden war. Nachdem die Schülerzahlen ebenfalls das Gebäude an seine Grenzen brachten, wurden ein Nebengebäude und die Turnhalle errichtet und die beiden Gebäude mit einer Aula verbunden.
5. Pfarrkirche Petrus zu den Ketten
Schon 762 ist die erste Kirche in Rust nachweisbar. Das heutige Gebäude wurde im 18. Jahrhundert errichtet. Am 30. August 1728 wurde das Langhaus eingeweiht, nach Bau des Turms und Chores fand die Kirchenweihe am 01. September 1737 statt. Nach zahlreichen, durch Baufälligkeiten begründeten Abbrüchen und Erweiterungen fand zu Beginn der 1950er Jahre der grundlegendste Umbau statt. Die Kirche wurde um 180 Grad gedreht und der Haupteingang in den Turm verlegt. Die Decke schmücken vier Gemälde, wovon eines noch aus dem 18. Jahrhundert stammt. Die drei anderen wurden 1980 von Reinhard Daßler, das letzte 1985 fertiggestellt. Dieses zeigt die Allegorie zwischen Gut und Böse, dargestellt mit modernen Stilmitteln.
bei 5. Klosgarten
Klosner waren besondere Einsiedler, die sich für lange Zeit oder teilweise lebenslänglich in eine Zelle (Klose) einschließen und teilweise sogar einmauern ließen. Diese Klosen befanden sich stets in unmittelbarer Nähe zu einem kirchlichen Gebäude. Durch einen kleinen Mauerdurchbruch konnten sie am Gottesdienst teilnehmen und mit Lebensnotwendigem versorgt werden. Vermutlich waren in Rust die Klosner nur Frauen. Diese lebten bis 1494 in dieser Form, bis die Klosen in Rust aufgegeben wurden.
Heute dient der Platz als Veranstaltungsstätte, auf der tolle Konzerte und Aufführungen in besonderer Atmosphäre stattfinden.
6. St. Josefskapelle
Von 1886 bis 1917 war Pfarrer Andreas Jerger in der Gemeinde als Priester tätig. Er war sehr beliebt, verstand viel vom Obstbau, der Landwirtschaft und der Imkerei und gründete zahlreiche Vereinigungen und Einrichtungen, wie beispielsweise eine „Kleinkinderbewahranstalt“ in Rust. Während seiner Amtszeit wurde die Pfarrkirche vergrößert, eine Turmuhr angebracht und die beiden Seitenschiffe angebaut. 1896/97 ließ er diese Kapelle auf eigene Kosten bauen und fand dort nach seinem überraschenden Tod seine letzte Ruhestätte.
7. Ältestes Schulhaus
1651 wird für Rust der erste Lehrer urkundlich erwähnt. 1770 wurde dieses Gebäude erbaut. Es wurde aber mit der stetig wachsenden Bevölkerungszahl bereits hundert Jahre später schon zu klein. Der Wunsch der Gemeinde, das Schulhaus der jüdischen Gemeinde zu erwerben, konnte nicht erfüllt werden. 1908 unterrichteten so vier Lehrer in drei Klassenzimmern und einem Raum im Rathaus 360 Schüler. So wurde 1910 das neue Schulhaus gebaut.
8. Ehemaliges Gasthaus Sonne
Noch bis ins 20. Jahrhundert lag das Gebäude an der „Kirchgass“. Das Gebäude wurde lange als Gasthaus genutzt, allerdings ist erst seit 1835 eine Konzession nachweisbar. Es wurde 1920 an den Staat verkauft, der darin Wohnungen für Grenzbeamte einrichtete. Gleichzeitig diente es zwischenzeitlich auch als Postagentur. Heute ist es in Privatbesitz, gab aber dem davor liegenden Platz seinen Namen.
9. Alte Schmiede
Die Eisenwarenhandlung Sigmund Hauser befand sich in diesem Gebäude, bis er es 1897 an Carl Widenhorn verkaufte. Einige Zeit war hier die Reichspost (1871 – 1917) untergebracht. Seit 1984 war es das Gasthaus „Alte Schmiede“, deren Namen sich auf den früheren Warenverkehr bezieht.
10. Alte Synagoge
Wahrscheinlich siedelten sich die ersten Juden nach dem Dreißigjährigen Krieg in Rust an. Ihre Zahl stieg jedoch erst im 19. Jahrhundert kontinuierlich an, bis sie 1852 245 Mitglieder umfasste. 1857 wurde daher dieses Gebäude aus Platzgründen zugunsten einer neuen Synagoge aufgegeben. Danach sank jedoch die Mitgliederzahl bis 1933 stetig, da viele von ihnen die neu eingeräumte Zuzugserlaubnis in Städte nutzten. Bis ins 20. Jahrhundert war die Gebäuderückseite uferseitig, denn der damalige Teil der heutigen Hindenburgstraße lag im Feinschießen, einem regelmäßig über die Ufer tretenden Zufluss zur Elz. Das dies der Grund war, warum sich hier auch ein rituelles Frauenbad (Mikwe) befand, ist zu vermuten.
11. Ehemaliges Gasthaus Krone
Das prachtvolle Haus wurde 1587 gebaut und lag damals am Marktplatz. Noch vor dem Bau des Alten Rathauses befand sich hier die Gemeindestube. Der Schultheiß (Bürgermeister) war meist gleichzeitig Wirt der ebenfalls ansässigen Wirtschaft „Stube“. Das Gebäude erfuhr so eine doppelte Nutzung, die sich so in vielen Orten fand. Nach dem Bau des Alten Rathauses und der Aufgabe der Gaststätte befand sich hier bis 1956 die Böcklinsche Gutsverwaltung. An der dem Schloss zugewandten Hausecke befindet sich heute eine Statue des Heiligen Nepomuk. Dessen Funktion als Brückenheiliger lässt vermuten, dass die Statue hier später hinzugefügt wurde und ursprünglich eher im Bereich der Elz zu finden war.
12. Schloss Balthasarburg
Das Schloss erhielt seinen Namen wahrscheinlich von dem um 1454 geborenen Stammherrn Balthasar und wurde im Bauernkrieg im 16. Jh. stark beschädigt. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Schloss ebenfalls mehrfach von Geschossteilen getroffen. 1955 starb der letzte Stammherr Ruprecht, danach ging das Schloss und Gut in den Besitz des Grafen von Metternich über. 1965 erwarb Dr. Fuchs das Schloss und Teile des Parks und verkaufte es 1977 an Familie Mack aus Waldkirch.
13. Café Lang
1872 erhielt der Ruster Jude Gustav Johl hier die Erlaubnis zur Eröffnung eines Gasthauses „Zur Blume“. Dieses bestand bis 1938. In der Reichspogromnacht am 08. November 1938 wurden die drei einzigen noch in Rust lebenden, erwachsenen, jüdischen Männer für sechs Wochen nach Dachau deportiert. Danach wurde ihnen ihre Konzession entzogen. So musste auch Bernhard Johl, damaliger Blumenwirt, aufgeben.
14. Amerikakreuz
Nachdem 1815 der Vulkan Tambora auf Bali ausgebrochen war, verschlechterte sich das Wetter in den kommenden Jahren derart, dass zahlreiche Missernten zu Armut und Elend führten. Viele Menschen suchten ihr Heil in der Auswanderung nach Amerika. Laut Aufzeichnungen brachen 1817 rund 50 bis 60 Ruster in ein ungewisses Schicksal auf. Leider fielen zahlreiche Auswanderer auf Betrüger und falsche Versprechungen herein und die wenigesten schafften es überhaupt über den Atlantik. Viele kamen noch ärmer wieder zurück. Die Gemeinde vergab an die Rückkehrer einen Landstrich am Rande der Gemarkung, das sie urbar machen und bebauen konnten. Dieses Landstück trägt seit mindestens 1828 den Namen „Amerika“.
Ein herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Debacher, ohne dessen umfangreiche Erforschung der Dorfgeschichte uns manches Wissen fehlen würde.